Es ist wieder harter Lockdown und die schlechten Nachrichten bleiben nicht aus. Wird die Corona-Pandemie auch so manche Meeressäuger-Population dahinraffen? Möglich, aber unwahrscheinlich. Immerhin.
Wenn von Artensterben die Rede ist, denken viele erstmal an Tiere: An Nashörner oder an Eisbären, die vorm Aussterben bedroht sind, oder an Fledermäuse, Schweinswale und natürlich an Insekten. Wie aber sieht es mit den Pflanzen aus? Wie ist es z.B. um die deutsche Flora bestellt? - Antworten zu dieser Frage liefert eine Studie, in welcher Daten aus fast 60 Jahren zusammengetragen und ausgewertet wurden. Der Link geht zu einem Interview der RiffReporter mit einem an der Studie beteiligten Biologen. Es geht unter anderem um die Bestandsentwicklung eher häufiger Pflanzenarten, die Ursachen dieser Entwicklung und welche Chancen Neophyten mit sich bringen können.
Es heißt, die Menschen ließen sich erst dann für das globale Artensterben erfolgreich sensibilisieren, wenn das Thema sie nicht nur auf kognitiver, sondern auf emotionaler Ebene erreicht. Dazu ein Zitat aus dem Interview:
"Es ist eben nicht nur die unbekannte Orchideenart oder der Minifrosch, der irgendwo im afrikanischen Urwald lebt, die sich derzeit für immer verabschieden. Es sind die uns vertrauten Arten, die einige von uns als Kinder vielleicht noch häufig gesehen haben."
Welche Blumen habt ihr denn als Liebstes für eure Mutter gesammelt? Würdet ihr einen solchen Strauß heute auch noch machen können, in demselben Gebiet, in dem ihr als Kind die schönsten Blümchen gezupft habt?
Dass eine Art in einem Gebiet ausgestorben ist, muss jedoch nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie komplett vom Erdenball verschwunden ist (auch wenn das viel zu häufig der Fall ist). Manchmal liegen dem Phänomen auch schlichtweg Verschiebungen zugrunde. So zeigt der neue Europäische Brutvogelatlas offenbar, dass in der europäischen Vogelwelt eine Wanderung richtung Norden stattfindet. Die Sommer sind im Süden des Kontinentes so heiß und trocken, dass manche Vogelarten dort nicht mehr leben können - andererseits leben mittlerweile einige Arten in der Arktis, für die die Lebensumstände ehemals zu harsch waren. Dass derartige Wanderbewegungen in der Tier- und Pflanzenwelt passieren, ist an sich nichts Neues. Die Daten untermauern diesen einen Effekt des Klimawandels aber nochmal sehr schön. Ja, auch unter den nicht-menschlichen Organismen gibt es "Klima-Flüchtlinge". Doch was tun die echten "Nordlichter", die mit dem wärmeren Klima nicht klar kommen? Wie soll man nach Norden fliehen, wenn man nördlicher nicht mehr kann?
Und ist die Erwärmung das einzige Problem? Nein. Ein Muster, welches man im Kontext "Artenschwund in der Vogelwelt" immer wieder hört, tritt auch hier wieder zutage: "Klimawandel und Veränderungen in der Landnutzung sind wohl die bestimmenden Größen für die Veränderungen [...] Insgesamt scheint es aber so, als spiele die veränderte Landnutzung für die Veränderungen bei den Vögeln eine noch größere Rolle als der Klimawandel – zumindest bisher."
Lebensraumverluste - eine Folge jener "veränderten Landnutzung" - gehen auch mit unserer Bauwut einher. "Erstmals scheinen alle von uns geschaffenen Bauwerke, Maschinen, Autos und sonstigen künstlichen Gegenstände mehr zu wiegen als die gesamte lebende Biomasse", schreibt Daniel Lingenhöhl auf spektrum.de und zitiert dabei eine in "Nature" veröffentlichte Studie. Wichtig: Es ist von Gewicht die Rede, nicht von Volumen. Ein Kubikmeter Beton wiegt mehr als ein Kubikmeter lebendiger Humus. Erstaunlich - und ein wenig bedenklich - ist das Ergebnis dennoch.
Passend zum Fest der "Besinnlichkeit", gegen Ende dieses historischen Jahres 2020, hat Daniel Lingenhöhl noch mehr zu sagen. In einem Kommentar blickt auch er auf das Jahr zurück: Wie zu Anfang, als man das neue Corona-Virus hierzulande noch nicht ernst nahm, sorgenvoll auf die Waldbrände auf der Südhalbkugel schaute, eine der vielen Auswirkungen des Klimawandels. Wie die Pandemie dann unseren Fokus fort lenkte von Artensterben und Lebensraumverlust, obwohl gerade dies dieselbe erst ermöglichte. Wie die Menschheit dann mit geballter Forschungskraft alles Mögliche über das Virus herausfand und in Rekordzeit Impfstoffe entwickelte. Wie sie in Hinblick auf den Klimawandel und den globalen Biodiversitätsverlust weiterhin zu inaktiv bleibt, obwohl im Süden wieder die Wälder brennen. Wie wir vieles retten oder immerhin Prozesse verlangsmen könnten - wenn wir nur wollten.