Viele, viele Jahr ist es hier, da lebte nahe des Flusses Ruhr ein Schweinehirte mit seinen Schützlingen. Tag und Nacht blieb er mit ihnen draußen - aber nachts wurde es mächtig kalt und er pflegte sich eine kleine Kuhle in den Boden zu graben und sich darin ein Feuer zu machen. Manchmal konnte er sich die Arbeit allerdings auch sparen, nämlich dann, wenn eines seiner Schweine bereits eine passende Kuhle gegraben hatte. So geschah das auch eines abends. Diese Schweinekuhle war aber keine gewöhnliche, denn am nächsten Tag, als das Feuerholz heruntergebrannt war und nur noch als Asche da lag, entdeckte der Schweinehirte darunter seltsame, bunt funkelnde Steine. Das war die erste Steinkohle. Bald entdeckte unser Hirte, dass diese "brennenden Steine" ein besseres Feuer abgaben als Holz. Er steckte sich einige der schwarzen Wundersteine ein und berichtete seiner Familie von dem besonderen Fund. Nachdem der Vater sich die Sache gründlich angeschaut und all seine Zweifel an möglichem "Hexenwerk" beiseite geschoben hatte, begann die Familie mit dem Abbau über Tage.
Eines Tages kam die Nachricht, die Königstochter wolle vermählt werden an denjenigen, der die kostbarsten Edelsteine mitbrachte. Der Schweinehirte, bis dato noch Junggeselle, sah seine Chance gekommen und machte sich mit der Kohle in der Tasche auf zum Schloss. Man zögerte, ihn vor die Prinzessin zu schicken, sah er doch nicht gerade adelig aus, doch mit dem Versprechen, die wirklich wunderbarsten Edelsteine dabei zu haben, weckte er die Neugier. In dem Saal, in dem sich die Freier der Prinzessin vorstellten, war es bitterkalt, das Holzfeuer im Kamin mochte ihn nicht richtig aufzuwärmen. In dicke Kleider gehüllt wies die frierende Prinzessin jeden ab, und hatte er doch die schönsten Diamanten für sie mitgebracht. Als sich der Schweinehirte ihr vorstellte, rümpfte sie die verwöhnte Nase und zog ungläubig eine Augenbraue hoch. Als er ihr dann noch seine etwas staubigen, schwarzen Steine darbot, schnaubte sie entrüstet - was direkt in bibberndes Zähneklappern überging. Unbeeindruckt sagte der Hirte nur: "Pass ma uff, dat beste kommt ja noch. Da wirste gucken, ich sachet dir!" und zack, warf er seine "Edelsteine" in das Feuer.
Man stellte den Verrückten an die Seite und fuhr mit der Prozedur fort. Doch bald hörte das Zähneklappern der Prinzessin auf, eine wohlige Wärme breitete sich vom Kamin aus. Als sie in das Feuer schaute, staunte sie: Die Steine, welche sie zuvor noch für langweilige Brocken gehalten hatte, glühten im schönsten Blau, Rot, Orange und Gelb. Völlig fasziniert von diesem Schauspiel vergaß sie alle anderen Freier. Und nahm schließlich unseren Schweinehirten zum Gemahl.
So oder so ähnlich lief es der Sage nach ab, als im Ruhrgebiet, damals noch sehr ländlich, die erste Steinkohle entdeckt wurde. In der Nacherzählung von Hartmut El Kurdi ("Als die Kohle noch verzaubert war - Die schönsten Sagen aus dem Ruhrgebiet") heißt es, die Geschichte habe sich im Weitmarer Holz bei Bochum abgespielt. In der Grundschule in Witten Heven brachte man es mir anders bei (vollständige Geschichte hier nachzulesen). Nahe des heutigen Ortsteils Herbede auf der Südseite der Ruhr soll der Schweinehirte gelebt haben. Das Schwein, welches ihm die schicksalsträchtige Kuhle grub, war eine Muttersau, damals auch "Mutte" genannt. Dass das Tal, in dem sich die Geschichte zutrug, heute "Muttental" genannt wird, mag auch an der früheren Nutzung zur Schweinemast liegen (vgl. Wikipedia, aufgerufen am 02.12.2019).
Früher Kohleabbau
Kohleabbau über Tage - das heißt, nicht unter, sondern über der Erde - war die früheste Form der Steinkohlegewinnung. Wie der Bergbauwanderweg Muttental auf einigen seiner Info-Tafeln berichtet, wurde die Kohle schon seit dem Mittelalter (erste urkundliche Erwähnungen im 16. Jahrhundert) in sogenannten "Pingen" abgebaut. Als Pingen bezeichnet man die muldenartigen Gruben, in denen die Kohle ausgebuddelt wurde. Südlich der Ruhr war diese Art der Brennstoffgewinnung besonders lohnreich, da die Flöze hier bis an die Erdoberfläche ragen, man also quasi nur einen Spaten und eine Schubkarre braucht. Man grub solange nach der Kohle, bis die Pinge sich mit Wasser füllte. Wurde die Arbeit dadurch zu schwer, probierte man es ein Stück daneben von Neuem.
Das Pingenfeld am Carthäuserloch
Neben der Ruine der Burg Hardenstein befindet sich ein Relikt aus diesen Zeiten, das "Pingenfeld am Carthäuserloch". Auf dem Infoschild heißt es:
"1724 verlieh das preußische Bergamt Abbaurechte für das Flöz Geitling, das hier am Hang mit einer Mächtigkeit von 1.5m zutage tritt. Durch den oberflächennahen Abbau wurde der Boden aufgewühlt, und es entstanden muldenartige Vertiefungen, die Pingen, die noch heute gut zu erkennen sind."
Auch die oben erwähnten Schubkarren hinterließen wohl ihre Spuren:
"Etwas weiter links erkennt man einen tiefen Wegeeinschnitt am Hang. Er ist dadurch entstanden, daß jahrzehntelang Kohle mit Schubkarren von Schächten auf der Höhe zum Ruhrufer transportiert wurde."
Das "Pingenfeld" ist heute tatsächlich noch gut zu erkenne, erst recht, wenn man die Vogelperspektive einnimmt und sich jegliche Vegetation wegdenkt, wie auf folgendem Bild (Quelle: Land NRW (2019) - Lizenz dl-de/by-2-0 (www.govdata.de/dl-de/by-2-0) - bei den vielen kleinen Pünktchen in der Mitte handelt es sich wahrscheinlich um die historischen Pingen.