Das EU-weite Verbot von Bleimunition in Feuchtgebieten ist endlich durch. Nachdem rechte Parteien unter dem Vorwand des "Tierschutzes" das Verbot noch einmal zu kippen versuchten - als "Argument" wurde die angebliche, aber bereits mehrfach widerlegte bessere Tötungswirkung von Bleimunition hervorgekramt - hat man sich nun endlich darauf geeinigt, die jagdliche Nutzung des giftigen Schwermetalles in besagten Gebieten zu untersagen (vgl. auch diesen Kommentar dazu). Natürlich in guter klöckner'scher Manier mit einigen entschärfenden Zugeständnissen. So ist die Übergangsfrist ein wenig länger geworden, die "bleifreien" Pufferzonen um die Feuchtgebiete etwas geschrumpft und ein Besitzverbot für Bleimunition gibt es schonmal gar nicht. Wer soll kontrollieren, ob nicht doch mal jemand "aus Gewohnheit" und weil man "aus langjähriger Erfahrung" ja weiß, dass es ja "schonender für die Tiere" sei, dennoch ein wenig Bleischrot über die Grenzen hinaus verschießt?
Noch lange nicht ad acta gelegt ist hingegen die Diskussion um die Gemeinsame Agrarpoltik (GAP) der EU. Es geht um nicht weniger als ~400 Milliarden Euro, 40% des EU-Haushaltes, und deren Verteilung in den nächsten sieben Jahren. Die Agrarminister hatten vor einiger Zeit einen Entwurf vorgelegt, der laut Ministerin Julia Klöckner einen "Systemwechsel" darstelle, in großen Teilen aber eher ein "weiter so" bedeutet. Vor allem untergräbt dieser Vorschlag die Ziele des "Green Deals", der von der EU-Komission feierlich vorgestellt wurde und schärfere Maßnahmen gegen den Biodiversitätsverlust ergreifen soll, als derzeit geschieht. Unter anderem soll die Verteilung von Subventionen nicht in dem Maße an Klima- und Umweltschutzmaßnahmen geknüpft werden, wie es von diversen Verbänden gefordert wurde und für eine erfolgreiche Umwelt- und Klimaschutzpolitik notwendig wäre. Großbritannien - hier nicht mehr an EU-Entscheidungen gebunden - schlägt direkt einen nachhaltigeren Weg ein. Man muss jedoch nicht erst aus der EU austreten, um es besser zu machen... Allerdings kann es durchaus sein, dass diesem tatsächlichen Systemwechsel der Briten so mancher Betrieb zum Opfer fallen könnte. So würde "Die Durchschnittsfarm [...] zunächst mehr als 50 Prozent weniger bekommen, bevor die neuen Programme 2024 voll verfügbar sein werden.", heißt es vom Chef der Country Land and Business Association Mark Bridgeman.
Die Landwirtschaft ist nicht der einzige Faktor, um den es bei der Verlangsamung des Klimawandels und Biodiversitäts-Schwundes - denn aufhalten können wir sie nicht mehr - geht. Aber er ist ohne Zweifel bedeutsam. 39% der Landesfläche der EU wurden 2016 landwirtschaftlich genutzt. Im Jahr 2018 betrug der landwirtschaftliche Anteil der Treibhausgas-Emissionen in der EU 394 Millionen Tonnen bzw. etwa 11%. Zusätzlich befeuern strukturarme Agrarwüsten, der Einsatz teils gefährlicher Pestizide, die Verarmung der Böden und die zu hohe und unsere Gewässer vergiftende Düngerlast das Artensterben.
In der Europäischen Union beraten der Rat der Agrarminister, die Europäische Komission und das Europaparlament im sog. Trilog derzeit, wie sich die neue GAP mit dem Green Deal vereinbaren lässt. Das weitere Vorgehen wird in diesem Artikel der Riffreporter im Rahmen des Rechercheprojektes "Countdown Natur" übersichtlich berichtet. Es lohnt sich, gelegentlich mal vorbeizuschauen, geht es doch darum, wie katastrophal wir unsere Lebensgrundlage zerschießen - Feuchtgebiet hin oder her.
Dass sich etwas ändern muss, ist unumstritten. Auch sind viele Lösungsansätze bereits bekannt. Nur an der Umsetzung hapert es. Das liegt zum Beispiel an zu schwammig formulierten Zielen. Wenn die EU sagt: "Die Komission trifft Maßnahmen zur Verringerung der Nährstoffverluste um mindestens 50% unter Vermeidung rückläufiger Bodenfruchtbarkeit [...] bis 2030", klingt das für mich zunächst bloß so, als würde man sich "mal auf den Weg" machen. Wenn man 2030 das eigentliche Ziel, nämlich die Verringerung der Nährstoffverluste um mindestens 50%, nicht erreicht hat, ist das okay, denn man hat ja Maßnahmen getroffen, erste Schritte ergriffen, man ist nachweislich "auf dem Weg". Nun, wenn man mitten im Watt steht und um 12 Uhr ist Flut, sollte man sich bis dahin etwas mehr als nur "auf den Weg" gemacht haben - man sollte auf dem Deich stehen. Erst recht bei steigenden Meeresspiegeln.
Konkrete Ziele sind also von großer Bedeutung. Das bedeutet auch, dass sie nicht zu abstrakt sein dürfen. So ist das Ziel, "das Artensterben aufhalten" gut, aber in so abstrakter Form nicht sehr praktikabel. Sich konkrete Zwischenziele zu setzen könnte helfen. So schlägt eine Forschergruppe des Karlsruher Institutes für Technologie vor, sich auf eine Maximalzahl von jährlich 20 ausgestorbenen Arten zu beschränken. Mehr dürfe pro Jahr dann nicht mehr aussterben. Das klingt nach viel, ist aber wohl vergleichsweise wenig. Nicht zulegt, da dieses Ziel alle bekannten Arten einbezieht: alle Pilze, Pflanzen, Wirbellose und Wirbeltiere.
Große politische Entscheidungen, die die Bevölkerung in die richtige Richtung lenken, sind elementar, um den großen Herausforderungen dieser Zeit, dem Klimawandel und dem Biodiversitätsverlust, zu begegnen. Doch die Politik reagiert verspätet und langsam. Nicht zuletzt deswegen liegt es auch an jedem Einzelnen, seinen Lebensstil entsprechend zu ändern. Ein großer Hebel ist die Ernährung, aber natürlich müssen wir auch etwas an dem Ausmaß und der Art unserer Mobilität ändern. Eine große Chance ist dabei das große Comeback des Fahrrades. Fahrräder halten fit, machen weniger Lärm, es kommt zu weniger Unfällen mit Mensch und Tier und wenn doch, sind diese seltener fatal. Von den Traibhausgas-Emissionen mal ganz zu schweigen, die fallen eigentlich nur in der Produktion an und sind im Vergleich zum Auto vernachlässigbar. Auch kann man mit dem Fahrrad viel leichter mal kurz inne halten und die Natur um sich genießen (das geht auch in der Stadt, denn auch da singen morgens die Amseln). Vielleicht kommt man auf einer Radtour auch mal durch ein Feuchtgebiet und begegnet zum Beispiel einer Reiherente - ohne Bleischrot im Magen, der sie langsam vergiftet. Vielleicht ist ihr Gewässer auch ausnahmsweise nicht von einem Zuviel an Nährstoffen belastet, vielleicht sind die Insekten, Muscheln und Schnecken, von denen sie sich ernährt, noch in großer Zahl vorhanden. Vielleicht...