Weihnachten - Fest der Besinnlichkeit, der Großzügigkeit, die Zeit, in der mittelmäßigen Fernsehsendern einfällt, dass ein paar Spenden an bedürftige Kinder dem Image gut tun, bevor man zu Silvester längst vergessene Promis das Jahr emotional rekapitulieren lässt, um im Januar schließlich mit gewohnt minderem Niveau weiterzusenden. Es ist die Zeit, in der die Schweißporen selbst der Couchpotatoes mal wieder arbeiten dürfen, da einem einfällt, dass einem für die Verwandtschaft kein gutes Geschenk einfällt, man aber dennoch schnell mindestens eines pro Person in einem der überfüllten Kaufhäuser erwerben sollte, damit der Haussegen hält und das Erbe ebenso. Kluge Gemüter halten besonders nach Weihnachten ihre Augen auf ebay und Co. gerichtet, wo alles halbherzig Geschenkte von den Beschenkten wieder feilgeboten wird, weil man sich ja eben doch nicht so gut kennt, aber für die Tonne ist es dann doch zu schade.
In der Tonne landet aber dann doch zumindest ein elementarer Bestandteil der nicht selten von unterbezahlten Paketboten im letzten Moment zugestellten Konsumgüterflut, undzwar das liebevoll industriell bedruckte Geschenkpapier. Den meisten Menschen wird selbst zum Ende des Klimastreik-Jahres 2019 Muster und Farbe wichtiger sein als Nachhaltigkeit und Umweltschutz signalisierende Siegel. Dass der Inhalt in liebevoller Handarbeit von den tüchtigen Menschen aus der Behindertenwerkstatt der Nachbarstadt hergestellt wurde und ein Teil des Erlöses ans Tierheim geht ist zwar super (ehrlich!), aber da wäre es doch schön, wenn die Verpackung nicht aus frischen Bäumen jahrhundertealter Urwälder gepresst wäre.
Man könnte jetzt natürlich die puristische Schiene fahren und argumentieren, dass es am besten sei, die Verpackung einfach ganz wegzulassen. Meiner Meinung nach ginge dann bei einer klassischen Bescherung im Familienkreise jedoch die feierliche Spannung verloren, die entsteht, wenn alle dem/der Beschenkten beim Auspacken zusehen. Recyceltes Zeitungspapier wäre eine Lösung, man sollte aber den Teil mit dem Kreuzworträtsel vermeiden, sonst ist Omma schnell abgelenkt. Wer bei der Bescherung klug mitdenkt, öffnet seine Geschenke umsichtig und nutzt die Verpackung im nächsten Jahr wieder - vorausgesetzt, sie passt um die neuen Geschenke.
Aber wieso denn eigentlich auf Papier festfahren? - dachten wir uns dieses Jahr und probierten etwas anderes, wenngleich beim Einpacken etwas zeitaufwändigeres. Da wir demnächst umziehen werden und viele Dinge aussortieren, fielen uns diverse Stoffreste in die Hand, unter anderem ein netter grün-weiß gewebter Baumwollstoff, der schon seit Jahren in der Schublade schlummerte und nie verschneidert wurde. Mit Schere, Nadel und Faden wurde daraus schnell eine Geschenkverpackung anderer Art. Die Warnung, dass man zum Öffnen unserer Geschenke besser eine Schere benutzt, bewirkte natürlich Verwunderung. Aber besonders Mutti schien ihre Freude daran gehabt zu haben, an einer Seite die hübsche Ziernaht zu zerschneiden, um zeiteffizient und stoffschonend an den Inhalt zu kommen. Der alte Stoff wurde von uns endlich verwertet, ich hatte einen Tag lang Spaß am Zunähen der Geschenke und statt die Verpackung wegzuschmeißen, kann man sie nochmal als Putzlappen oder - in diesem Fall besonders gut - als Geschirrtuch verwenden. Win win!
Wer jetzt keine Stoffe in seinen Schubladen schlummern hat, muss auf die Freude textiler Geschenkverpackung übrigens nicht verzichten. Wie oft schmeißt ihr alte T-Shirts oder Hosen weg, weil sie durchgetragen sind oder nicht mehr hinreichend gefallen? In letzterem Fall ist der Altkleider-Container wohl die bessere Idee, die Klamotten sind ja schließlich "noch gut". In ersterem taugen sie aber allenfalls als Lumpen, Wischlappen - oder eben als Geschenkverpackung.