Einer der Gründe, warum wir nach Schleswig-Holstein gezogen sind, ist die Nähe zum Meer. Da wir nun so ziemlich in der Mitte des Landes leben, können wir uns aussuchen, ob wir lieber an die Nord- oder an die Ostsee wollen. Doch seitdem wir hier wohnen, haben wir weder die eine noch die andere aufgesucht. Es wurde höchste Zeit, das zu ändern! Aber - wohin denn nun?
Willkürlicherweise fiel die Wahl auf die Ostsee. In einem der "Naturführer durch Schleswig-Holstein", die uns schon bei der Haussuche den Weg zu den schönsten Naturräumen gezeigt haben, suchte ich dann nach einem genaueren Ziel. Denn einfach nur Sandstrand an der Bucht bei Eckernförde kann ja jeder!
Und so fuhren wir schließlich nach Noer. Noer war erstaunlich beeindruckend: Es hat eine Freiwillige Feuerwehr, ein Schloss und eine Eichhörnchenfamilie. Respekt.
Noer hat aber noch mehr, nämlich Dünen. Wahnsinn, sachste jetzt, da kann ich auch nach Katwijk gurken, da gibt's dat auch. Ja stimmt. Und auch nicht. Denn die "bewaldete Düne bei Noer" ist durchaus speziell. Ein Hinweisschild am Rande des Naturschutzgebietes (NSG) informiert:
"Innerhalb der Region der mitteleuropäischen Küstendünen ist die "Bewaldete Düne bei Noer" wegen der langjährig ungestörten, natürlichen Entwicklung ihrer Pflanzengesellschaften eine besonders wertvolle Naturerscheinung.
Zum Vergleich: Die Küstendünenwälder an der Girondemündung (Frankreich) und auf den Wanderdünen der Kurischen Nehrung im ehemaligen Ostpreußen oder auf den Friesischen Inseln zwischen Texel (Niederlande) und Fanö (Dänemark) sind vom Menschen geschaffene Aufforstungen."
Das NSG selbst darf nicht betreten werden. Es schien zwar einen Weg durch das Waldstück zu geben, der war aber abgesperrt - ob das an der Vogelbrutzeit lag oder dauerhaft der Fall ist und er nur bei biologischen Untersuchungen oder dergleichen benutzt wird, wissen wir nicht. War uns auch wurscht, denn wir konnten ja am Strand entlanggehen und durch den Zaun in die knorrigen Eichen luken. So ganz entspannt daherschlendern. Dachten wir so.
Tatsächlich aber wurde uns vor Augen geführt, warum es bei Noer auch eine Surf-Schule gibt. Denn am letzten Sonntag wehte eine ziemlich steife Brise, eine solche nämlich, die einem sogar den Fisch vom Fischbrötchen wehen würde. Außerdem war wohl Flut. Das Ergebnis: der Strand war weg.
Ja, weg. Uns blieb ein schmaler Pfad direkt am Zaun, an welchem die Fluten jedoch auch schon fleißig knabberten. Stellenweise war der Sand schon vollständig abgetragen und wir mussten in den Pausen zwischen den Wellen über die Steine huschen, um zur Weiterführung unseres Pfades zu gelangen. An einer Stelle reichte der Waldrand bis jenseits des Zaunes, kleinere Pflanzen und Erlen standen mit den Füßen im Salzwasser.
Dahinter erhielten wir eine Pause von dem kleinen Abenteuer: Durch Gräser, Moose, Flechten und andere kleine Pflanzen war der Boden soweit befestigt, dass man sicher darauf laufen konnte. Auch reichten die Wellen nicht mehr ganz so weit. Zeit, diese kleinen Wunder ein wenig zu bestaunen - so wie zum Beispiel diese kompakte Sukkulente, welche zum Schutz gegen starke UV-Strahlung stellenweise rote Farbpigmente in ihre Zellen einlagert:
Das letzte Stück bis zum nächsten Weg, der uns um das NSG herum wieder durch Noer und zu unserem Auto führen sollte, verlangte aber nochmal alles von uns ab. Die vom Wind gepeitschten Wellen trieben bis an den (überflüssigerweise mit Stacheldraht geschmückten) Zaun und ließen uns keine trockenen Füße mehr. Nass bis zu den Knien und völlig außer Atem - denn die letzten 100 Meter wollten wir eigentlich schnell und "trocken" zurücklegen - verließen wir schließlich den "Strand"...
Dünen-Sukzession
Eine der Besonderheiten des NSG "Bewaldete Düne bei Noer" ist die Möglichkeit, eine natürliche Dünensukzession - d.h. die natürliche Entwicklung vom Sandstrand zum Wald mit allen Zwischenstadien - zu beobachten. Ganz grob kann man drei Arten von Dünen unterscheiden: Weiß-, Grau- und Braundüne. Die Farbbeschreibung spiegelt sowohl Farbelemente der typischen Vegetationstypen wieder als auch den tatsächlichen Farbeindruck, den der Dünenboden macht.
So wird die Weißdüne durch den Strandhafer geprägt, dessen Blütenstände weiß sind. Das Wurzelwerk festigt den aufgrund fehlender Humusbildung noch weißen Dünensand. Auf der Graudüne dominieren Arten wie das Silbergras (gräuliche Blätter uznd silbrige Blütenstände) sowie Sanddorn, dessen Laub schonmal grau erscheint. Der Oberboden ist durch eine mäßige Humusbildung grau gefärbt. Auf der Braundüne schließlich wachsen unter anderem Krähenbeere und Heidekraut, deren Blätter insbesondere im Frühjahr einen braunen Farbeindruck geben. Die Bodenentwicklung ist hier schon weiter fortgeschritten, es bilden sich Braunerden und Podsole.
Erst auf der Braundüne kann so langsam eine Bewaldung statt finden. Die dem Meer und somit der launischen Witterung zugewandte Seite ist dann geprägt durch besonders knorrig wachsende Bäume. Gerade diese knorrigen, krummen Eichen machen den Anblick der "Bewaldeten Düne bei Noer" meiner Meinung nach zu etwas ganz Besonderem.