"Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer" - den Spruch kennen so manche. Dahinter steckt die Tatsache, dass Schwalben Zugvögel sind, die erst zum Sommer wieder hier in ihren Brutgebieten ankommen.
In der Liste der potentiellen "Jahresvögel" hat es die Rauchschwalbe auf Platz zehn geschafft - von über 300 in Deutschland brütenden Vögeln.
Wofür steht die Rauchschwalbe?
Ohne vorher groß zu recherchieren, denke ich an Sommer, an Bauernhöfe und Scheunen, wo die wendigen Flugakrobaten ihre Nester an die Wände schmieren. Das Material sammeln sie aus Lehmkuhlen und Pfützen-Rändern. Sausen sie nicht gerade nach Insekten jagend über die Wiesen und Felder, sitzen sie gerne perlschnurartig auf Telefon- oder Stromkabeln und erfüllen die warme Luft mit ihrem heiteren Zwitschern. Die Rauchschwalbe symbolisiert - zumindest für mich - also den traditionellen ländlichen Raum mit offenen Ställen und einem reichen Nahrungsangebot für unsere rostkehligen und gabelschwänzigen Flatterfreunde.
Wie steht es um die Rauchschwalbe?
Hierzulande (SH) ist ihr Erhaltungszustand noch günstig, sie gilt als nicht bedroht, betrachtet man ganz Deutschland, steht sie auf der Vorwarnliste. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) schreibt zu den Gefährdungen der Rauchschwalbe: "Größere Bestandsfluktuationen sind bei Rauchschwalben nicht selten, da sie auch immer wieder von Witterungsbedingungen stärker beeinträchtigt werden. Dennoch zeichnet sich besonders im landwirtschaftlich stärker entwickelten Westen Europas seit vielen Jahren ein schleichender Rückgang ab. Dieser ist in erster Linie auf zunehmenden Nistplatz- und Nahrungsverlust zurückzuführen. Dörfliche Strukturen gehen immer mehr verloren, kleinbäuerliche Betriebe geben auf. Hinzu kommt die Versiegelung der Landschaft, bei der sich besonders das Asphaltieren von Feldwegen negativ auswirkt, da hierdurch die für den Nestbau notwendigen Lehmpfützen fehlen. Regelmäßige Verluste durch direkte Verfolgung sind außerdem aus manchen afrikanischen Winterquartieren bekannt. In Deutschland musste die Rauchschwalbe aufgrund dieser Entwicklung in die Vorwarnliste der Roten Liste gefährdeter Brutvögel aufgenommen werden."
Klar ist es nicht so super, wenn die geschwätzigen Tiere ausgerechnet im Carport ihr Nest bauen und der Kot von Alt- und Jungvögeln dann das schöne Auto verschmutzt. Doch die Tiere haben schlichtweg Wohnungsnot. Jeder Städter dürfte wissen, wie schwer es ist, einen geeigneten Kita-Platz zu bekommen. Den Schwalben mit ihren Kindern geht es nicht viel anders, nur müssen diese ihre "Kita" noch selbst bauen - "Baumärkte" mit dem passenden Material (=Pfützen und Teiche mit Schlammufern) gibt es aber kaum noch und auf eine gescheite Betreuung können sich die Eltern schon gar nicht verlassen, das müssen sie selbst übernehmen. Die Aufzucht der Jungen ist so aufwendig, dass bald beide Eltern "arbeiten" (=Insekten jagen) müssen, um die Familie zu versorgen. Der Arbeitsmarkt ist jedoch auch nicht das, was er mal war (Stichwort: Insektensterben, intensivierte Landwirtschaft). Ja, man hat es nicht leicht, wenn man aus Afrika nach Europa einreist und dann einfach nur ein stinknormales Familienleben führen will. Idealerweise steht noch die Hütte vom letzten Jahr, wenn nicht irgendein schimpfendes Säugetier der Gattung Homo aufgrund abiträrer Besitzansprüche einfach alles abgerissen hat (das Zerstören von Schwalbennestern ist gesetzlich verboten, da die Vögel geschützt sind).
Statt den wütenden Affen raushängen zu lassen, könnte es sich lohnen, einfach ein Kotbrett in passendem Abstand unter das Nest im Carport zu hängen. Als "Dank" futtern einem die Tiere noch ein paar "lästige" Insekten weg. Wer zusätzlich noch ein paar Fledermauskästen aufhängt, braucht sich um Mückenstiche kaum noch Sorgen zu machen!
Wer Schwalben schon mag und sie ans eigene Haus locken will, für den hat der NABU einige nützliche Tipps zusammengestellt. Wichtig ist dabei, dass es in der Umgebung schon Schwalben gibt, die ihr neues Heim auch finden können. Um derartige Bemühungen zu belohnen, hat der NABU das Projekt "Schwalbenfreundliches Haus" ins Leben gerufen. Wer sich bewirbt, erhält mit etwas Glück eine Urkunde und eine schöne Plakette, die sein/ihr Heim auch nach außen als "schwalbenfreundlich" kennzeichnet.
Warum sollte die Rauchschwalbe Vogel des Jahres 2021 werden?
Zuletzt war die Rauchschwalbe 1979 Vogel des Jahres. Die Intensivierung der Landwirtschaft hat den Tierchen schon damals zu schaffen gemacht. Heute sind die Themen nicht anders. Kleine Landwirtschaftsbetriebe sterben aus, die Ställe sind modernisiert, an Fassaden wird der Schwalbenkot - bzw. werden seine Verursacher - nur selten toleriert. Zwar gibt es auch im Landhandel und in naturfreundlichen Onlineshops Nisthilfen für Schwalben zu kaufen und jedes durch ein Planvorhaben zerstörte Nest muss kompensiert, Ersatznester geschaffen werden. Doch die Grundproblematik bleibt. Glyphosat in der Landschaft, trockene Böden durch den Klimawandel, Insektensterben - den Schwalben fehlen die Bau- und Nahrungsgrundlagen. Durch den Erhalt kleinbäuerlicher Strukturen, durch Weideviehhaltung mit ihren Tränken, durch die Schaffung einer vielseitigen Landschaft geht es nicht nur den Rauchschwalben gut. Es profitiert auch die Region. Es wäre ein Baustein zur Verlangsamung des Klimawandels. Die Rauchschwalbe steht auch für ein wenig mehr Lebensqualität statt "Lebensquantität".