Sommer. Die Sonne brutzelt auf die offene Landschaft nieder, der Himmel wolkenlos blau. Kaum eine Brise, die die trockenen Grashalme bewegt. Die meisten Vögel sitzen im Schatten (wo es ihn gibt), harren aus, bis die Temperaturen wieder etwas sinken, die Flügel leicht vom Körper gespreizt, der Schnabel offen. Doch eine, eine schwingt sich in ungeahnte Höhen, bis sie nur als kleiner, flirrender Punkt zu erkennen ist, aller Hitze zum Trotz trällert sie ihr Lied durch die Luft, über die Wiese, über den Acker, das weite Feld. Nur ein paar kleine grasige Fenster in einer Einöde von Agrarland bieten ihr und ihrem Nachwuchs den Schutz, den sie brauchen. Die Rede ist von der Feldlerche.
Vogel des Jahres 2019
Wie jetzt, schon wieder die Feldlerche? War die nicht erst 2019, vor zwei Jahren also, Vogel des Jahres? Haben wir nicht erst etliche "114-Euro-Scheine" in Form von Postkarten, u.a. mit der Feldlerche bedruckt, an unsere Abgeordneten geschickt? 114 Euro zahlte zu dem Zeitpunkt jeder EU-Bürger durchschnittlich über Steuergelder für die Gemeinsame Agrar-Politik (GAP) der EU. Auf den Postkarten (oder online) konnte man seinen Abgeordneten vermitteln, in was für eine Art Landwirtschaft man seinen Teil gerne investiert sehen möchte.
Das ganze Thema der Zerstörung unserer Naturräume durch eine rücksichtslose, die Ökosysteme nicht beachtende Landwirtschaft hatten wir also schonmal. Zeit, sich etwas anderem zuzuwenden, nicht wahr? Hat sich ja auch sicher einiges getan, es ist schließlich viel öffentlicher Druck entstanden, da reagieren unsere Politiker ja gerne drauf. Oder?
Die Trägheit des BMEL
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter der Leitung von Ministerin Julia Klöckner steht da leider ganz in dem Sinne ihrer Partei: Es läuft konservativ. Und langsam. Was von ihr als "Systemwechsel" in der EU-Agrarpolitik besungen wird, sehen die Umweltverbände als unnützes Auf-der-Stelle-Treten. An ein paar Stellen wurde hier und da geschraubt, damit man zumindest ein wenig Veränderung vorweisen kann. Auf eine kritische Frage, warum dieser "Systemwechsel" in der GAP, der die Bestrebungen des Green Deal der EU unterläuft, denn überhaupt noch Geld für nachgewiesenermaßen umweltschädliche Praktiken bereitstellt, erklärt sie nahezu entrüstet, wie schwer die Arbeit der Bauern ja sei (sie habe ja auch mal auf dem Land gearbeitet und kennt sich deswegen gut aus!). Die armen Bauern, die haben es ja schon so schwer, muss man es ihnen denn noch schwerer machen?!
Hmja, also... dass Landwirte einen schweren Job haben, stellt niemand in Frage. Dass man deswegen Praktiken unterstützen sollte, die das gesamte Ökosystem - auf welches die Landwirte angewiesen sind - auf lange Sicht zerstören und die missliche Lage, in der sich viele befinden, verschlimmern könnte, hingegen schon. Ist das Hofsterben nicht eine direkte Folge von Maßnahmen wie Subventionierung nach Fläche? Je größer der Flächenanteil des Betriebs, desto mehr Unterstützung erhält man. Daran hat sich auch nach neuem Entwurf nicht viel getan. Dabei gibt es genug Landwirte, die lieber kleiner statt größer werden wollen. Die Motivationen sind verschieden, manche haben das Tierwohl im Blick.
Auch beim Thema Insektenschutz zeigt sich Klöckner uneinsichtig. Wieso Glyphosat schon verbieten, das ist doch praktisch? Dass das Vorsorgeprinzip, welches in Europa eigentlich Tagesordnung sein sollte, an der Stelle versagt hat, sollte eigentlich nur beschämen. Sicher ist ein Totalherbizid in einer intensivierten Landwirtschaft praktisch. Doch um welchen Preis? Ein wenig mehr konstruktive Kooperation zwischen Umwelt- und Agrarministerium wäre angesichts des Artensterbens und der fortschreitenden Degeneration unserer "Natur" in der Agrarlandschaft wünschenswert.
Das Thema ist kompliziert, müßig und macht schlechte Laune, weshalb ich es an der Stelle dabei belassen will. Oft genug habe ich Neuigkeiten dazu in diesem Blog erwähnt (z.B. hier), sodass ich mir unnötige Wiederholungen spare.
Und die Feldlerche?
Vor zwei Jahren (und davor bereits 1998) war die Feldlerche schon einmal Symbolvogel für einen dringend notwendigen Wandel in der Agrarpolitik, trällerte ihre Botschaft in den Himmel. Letztes Jahr ließ sie sich auf ihr Lerchenfenster im Acker nieder, sodass ein anderer Vogel sprechen konnte. Ihr Nachwuchs flog aus, vielleicht versuchte er woanders ebenso sein Glück in der Jungenaufzucht. Doch vergebens. Die Jungen verhungerten, da es in der strukturarmen und mit Pestiziden verseuchten Agrarwüste keine Nahrung gab.
So möge sich der kleine Vogel noch einmal in die Lüfte heben, noch einmal mit kräftiger Stimme zu jenem Klagelied stimmen, welches doch immer seltener in unsere Ohren dringt.
Denn wie viele andere Feldvögel wird die Feldlerche immer seltener. Könnt ihr sie finden?