Fledermäuse im Winterschlaf
Der Winter ist keine Zeit für Fledermäuse. Die kleinen Körper mit den großen Flughäuten warm zu halten würde einen hohen Energieverbrauch bedeuten, Energie, die unsere heimischen insektenfressenden Fledertierchen aufgrund fehlender Nahrung - denn die wechselwarmen Insekten verkriechen sich im Winter irgendwo und warten auf wärmere Zeiten - nicht abdecken könnten. Vereinzelt mögen in milderen Wintern hartgesottene Fledermäuse zwar noch zu beobachten sein. Der Großteil aber versteckt sich irgendwo in frostfreien Baumhöhlen, Holzstapeln, alten Gewölbekellern, Höhlen und Bunkern. Ein paar wenige Arten ziehen, ähnlich wie manche Vögel, über viele hunderte Kilometer in Gebiete mit angenehmeren Temperaturen.
Die hibernierenden Fledermäuse senken ihren Stoffwechsel drastisch, um Energie zu sparen. Die Körpertemperatur gleicht sich der Umgebungstemperatur an, das Herz schlägt nur noch wenige Male in der Minute. Wirklich durchgehend "schlafen" tun die Tiere dabei tatsächlich nicht. Auch im Winter"schlaf" gibt es Wach- und Schlafphasen. Das ist von außen nicht unbedingt zu erkennen, da sie wegen des heruntergefahrenen Stoffwechsels nur sehr langsam reagieren können. Fledermäuse in ihren Winterquartieren zu stören kann fatale Folgen für die kleinen Flugsäuger haben. Durch verursachten Lärm, vor allem aber durch die menschliche Körperwärme werden die Tiere "wach" und verbrennen unnötig viel Energie. Im schlimmsten Falle schaffen sie es dann nicht mehr durch den restlichen Winter. Daher ist es gesetzlich verboten, Winterquartiere von Fledermäusen während dieser empfindlichen Zeit aufzusuchen.
Was aber, wenn man als Naturschützer ein (potentielles) Quartier auf die Nutzung durch Fledermäuse überprüfen möchte? Die vielleicht einfachste Art ist, hineinzugehen und nach den Tieren zu suchen. Dafür können einem spezielle Genehmigungen ausgestellt werden, die vom gesetzlichen Verbot befreien. Wichtig ist, dass man dabei bestimmte Verhaltensregeln einhält. So sollte die Anzahl der Behungen so gering wie möglich gehalten werden. In den Quartieren sollte man sich ruhig verhalten (nicht unnötig laut rufen etc.). Hat man eine Fledermaus gefunden, sollte man sie so schnell wie möglich wieder in Ruhe lassen, da das helle Licht der Lampen sowie die menschliche Körperwärme große Störfaktoren darstellen. Kommen derlei Störungen in Form von Winterquartier-Kontrollen nur sporadisch vor und ändern sich die übrigen Verhältnisse nicht, nutzen Fledermäuse diesen Ort über viele Jahre.
Winterquartier-Kontrollen können mühsam und anstrengend sein. Je nach Art des Quartieres verrenkt man sich den Nacken auf der Suche nach Tieren, die mehrere Meter über einem an der Decke hängen, oder man muss durch niedrige Gänge und Stollen kriechen, dabei jeden einzelnen Spalt und jedes Bohrloch prüfend - auch jene auf Kniehöhe und darunter. Die Mühe wird aber mehr als belohnt, wenn man das eine oder andere Fledertier, nicht selten mit Wassertröpfchen besetzt, den Frühling erwartend vorfindet. Dann genießt man kurz den Anblick dieser wundersamen Säugetiere, bestimmt wenn möglich die Art, und zieht weiter auf der Suche nach dem nächsten Fellknubbel.
Je nach Fledermausart werden verschiedene Hangplätze bevorzugt. Manche hängen frei an Mauer oder Gestein (wie z.B. das Große Mausohr) und sind relativ leicht zu finden. Andere mögen es, sich von allen Seiten ans Gestein kuscheln zu können (wie z.B. die Wasserfledermaus oder das Braune Langohr), wieder andere scheinen sich zwischen Artgenossen besonders wohl zu fühlen (so beobachtet an Zwergfledermäusen). Weiterhin sind die Temperaturen innerhalb eines Quartieres nicht homogen - nahe des Einganges kann es z.B. kühler sein als weiter innen. Auch auf diese Umweltfaktoren reagieren die Fledermausarten unterschiedlich. Einmal an ihrem Hangplatz angekommen, müssen sie jedoch nicht zwangsweise an diesem bleiben. Ändern sich zum Beispiel Luftfeuchtigkeit und Temperatur im Laufe der Wintermonate, werden die Fledermäuse durchaus kurzzeitig aktiv und wechseln den Platz.
Meine Winterquartier-Kontrollen der letzten Jahre
Das erste Mal, dass ich Fledermaus-Winterquartiere aufgesucht habe, war im kalten Winter 2010/2011. Damals hatte ich an der Biologischen Station der Stadt Hagen ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolviert. Einer der Mitarbeiter hatte mich und die andere FÖJler mit zu den Kontrollen genommen. Wir hatten damals weder Erfahrungen mit Fledermäusen, noch waren wir zuvor so wirklich unter Tage gewesen. Das Erlebnis war entsprechend spannend und aufregend für uns und wir übersahen den Großteil der Fledermäuse.
Vier Jahre später, kurz vor Abschluss meiner Bachelor-Arbeit (es ging um ein neu etabliertes Winterquartier in einem alten Wasserstollen in Schwelm), durfte ich wieder nach hibiernierenden Fledermäusen suchen. Das Wasser stand in "meinem" Abschnitt des Stollens mehr als knöchelhoch und an Stellen floss es in Strömen von der Decke. Ich hatte aber noch Glück, denn das Team, welches den anderen Abschnitt kontrollierte, musste durch so hohes Wasser waten, dass es sich eher lohnte, die Gummistiefel auszuziehen. Auch waren die Gänge stellenweise sehr eng und niedrig. Es gibt eben doch Momente, in denen es sich lohnt, klein und schmal zu sein...
Auch im darauffolgenden Jahr durfte ich an diesem Quartier bei der Kontrolle helfen. In der Zwischenzeit hatte ich aber auch Menschen aus dem lokalen Naturschutzbund kennen gelernt und half bei Kontrollen in der direkten Umgebung. Dabei handelte es sich vor allem um kleinere Stollen, die ins bergische Schiefergestein geschlagen waren, um zum Beispiel als Kühlräume zu dienen. Mit etwas Glück fanden ich und die anderen mal vereinzelt oder im Paar die eine oder andere Wasserfledermaus. In einem Quartier fanden wir weit mehr als nur ein verschlafenes Fledertier: Mehr als zwanzig Grasfrösche sowie einige Molche überwinterten dort im Wasser. Um die Organisation zu vereinfachen, ließ ich mir von der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises schließlich eine eigene Ausnahmegenehmigung für das Betreten der Winterquartiere ausstellen und organisierte die eine oder andere Kontrolle selbst.
Durch Kontakte zum Arbeitskreis Kluterthöhle e.V. wurde es dann spannender. Die Höhlenforscher führen nämlich auch regelmäßig Winterquartier-Kontrollen in "ihren" Höhlen durch und nehmen dabei gerne mal den einen oder anderen Biologen mit. Nun waren auch u.a. die Bismarckhöhle in Ennepetal, der Hardtstollen und die Hardthöhle in Wuppertal nicht mehr vor unseren Fledermaus-forschenden Lampen sicher. Zugleich bekamen wir wertvolle Gelegenheiten, uns die Geologie und die Fossilien-Vielfalt von Profis erklären zu lassen sowie einen Einblick in die Tätigkeiten von Höhlenforschern zu bekommen. Wir standen in riesigen, weiten Hallen und krochen durch lehmverschmierte Gänge, in denen man sich weder aufrichten, noch umdrehen konnte, entdeckten pigmentlose Höhlentiere und machten Pausen an unterirdischen, stillen Bächen.
Eine andere Art von Fledermaus-Winterquartier lernte ich dank Thomas Kordges kennen, welcher unter anderem die Kalk-Steinbrüche in Wülfrath und Wuppertal naturschutzfachlich begleitet. Zwei mittlerweile stillgelegte Wuppertaler Kalksteinbrüche werden durch einen langen, hohen Tunnel verbunden, welcher gute Quartiereigenschaften für verschiedene Fledermausarten aufweist. Die hohe Anzahl überwinternder Fledermäuse - mehr als fünf Dutzend sind nicht untypisch - und das Vorkommen von bis zu fünf Arten hat die Kontrollen immer sehr attraktiv gemacht. So half ich auch diese Saison wieder mit. Die erste Begehung fand Ende Dezember statt. Wir fanden vergleichsweise wenig Tiere von nur drei Arten (das Mausohr und die Langohren fehlten noch, außerdem waren zu wenig Zwergfledermäuse da), weshalb im Januar, als es endlich "kalt" wurde, eine weitere Kontrolle durchgeführt wurde. Über die Arten, die wir dort gefunden haben, werde ich in einem separaten Blogpost berichten. Zudem hatten wir einige Fotos gemacht, die ich an der Stelle ebenfalls nicht verheimlichen will.
Da wir nächsten Monat umziehen, wird diese zweite Kontrolle höchstwahrscheinlich meine letzte für die nächste Zeit gewesen sein, zumindest erst einmal die letzte im Bergischen Land. In Schleswig-Holstein - unserem nächsten Zuhause - werde ich zunächst noch die richtigen Kontakte knüpfen müssen, um entsprechende Quartierbegehungen mitmachen zu können. Auch wird die Anzahl und Art der Quartiere fernab des Mittelgebirges eine andere sein. Wie viele Winterquartiere wird es in der Umgebung geben? Werde ich für interessantere Kontrollen zwangsläufig die Gegend um den Kalkberg bei Bad Segeberg aufsuchen müssen? Werde ich irgendwann mehr alte Bunker und dergleichen besichtigen, um im Winter die typischen "Höhlen-Fledermäuse" zu finden? Oder wird sich der Fokus stärker auf alte, mächtige Bäume und ihre Höhlen verschieben?